Ox-Kollege Abel Gebhardt ist zwar gebürtiger Westfale, lebt aber schon eine ganze Weile in Hamburg. Nachdem er in früheren Romanen „Ein Goldfisch in der Grube“ und „Die Reise zur grünen Fee“
seinen trinkfreudigen Protagonisten durch Hamburg oder Prag torkeln lässt, sind es nun zehn in ihrer Handlung voneinander unabhängige Shortstorys, die Abel hier vom Stapel lässt.
Gemeinsam haben sie nur, dass sie,wie der Untertitel schon verrät, in Hamburg spielen. Da geht man mit dem Erzähler auf ein Punk-Konzert ins AJZ und ist mit dem Kopf doch nur bei dem Mädchen, das
sich nicht mehr meldet, bringt der Hochhausbewohnerin ihren Einkauf nach oben und darf sich zum Dank ihre rassistischen Tiraden anhören.
Im Club kokst man sich Hirn und Nasenschleimhaut weg, nach der DJ-Nacht im Hamburger Berg lässt man sich von einem Mädchen namens Daniel nach Hause bringen. Man gewöhnt sich das Trinken ab und
zeigt Zivilcourage.
Kleine Geschichten aus der großen Stadt sind es, die Abel da oft launig, manchmal nachdenklich, aber immer charmant und sympathisch erzählt.
Okay, ich schreibe ja auch Plattenkritiken, obwohl das ganze Internet voll damit ist. Von daher habe ich natürlich für jeden Autor eine gewisse Grundsympathie. Schreiben ist ja auch besser,
als Facebook oder Kommentarspalten-Hass. Nun gut, „Schattenboxen“ ist die erste Kurzgeschichten-Sammlung von Lars „Abel“ Gebhardt. Nach zwei Romanen fand er wohl, dass es jetzt einfach mal an
der Zeit wäre, zehn kurze Geschichten aus und über das Leben in Hamburg zu verfassen. Der Autor, der mir eigentlich eher durch seine Arbeit bei den Kollegen vom Ox-Magazin bekannt ist, macht
seine Sache dabei aber erschreckend gut. Die knappen 100 Seiten, die es übrigens für kleines Geld zu erwerben gibt, unterhalten und sind sehr kurzweilig.
Dabei geht es in den einzelnen Kapiteln um Alltagsgeschichten, die auf Hamburgs Straßen, in Hochhaus-Komplexen und in den Bars und Clubs der Hansestadt stattfinden. Zum Teil autobiografisch,
zum Teil frei erfunden findet der Autor immer die richtige Wortwahl und besticht durch Beobachtungen und eine gewisse Situationskomik. Natürlich passt da nicht alles. Das Kapitel
„Spaziergang“ dürfte jedem Leser irgendwie bekannt vorkommen. Aber direkt darüber schreiben? Na gut… Sind ja „nur“ Kurzgeschichten.
Am Ende habe ich die zehn Geschichten recht zügig durchgelesen, was bei mir immer ein Zeichen dafür ist, dass ich etwas gut finde. In der ein oder anderen Geschichte findet man sich ja, wie
bereits geschrieben, auch selbst wieder, was natürlich an einer ähnlichen Resozialisierung liegen mag. Kurzgeschichten mag ich aber irgendwie immer noch nicht, daran ändert auch das hohe
Niveau dieser zehn Storys nichts. Aber eine Lese-Empfehlung ist trotzdem drin. „Schattenboxen“ hat mich nämlich zu keiner Sekunde genervt oder gelangweilt. Wenn der Gute jetzt noch schafft
das Buch ordentlich zu bebildern, dann gibt es beim nächsten Mal vielleicht sogar ein Bonuspunkt.
(Crazewire 10/2017)
Lars Gebhardt: Schattenboxen - 10 Geschichten aus Hamburg
"Schattenboxen von Lars Gebhardt, Schreiber vieler Szenemagazine wie Ox, versammelt in diesem Buch eine interessante Mischung an teils punkigen, teils sozialkritischen
Kurzgeschichten, die nicht spurlos am Leser vorbeigehen. Ein kurzweiliges Lesevergnügen, ohne wenn und aber."
Paul G. Recke / Kamikaze Radio
Lars Gebhardt
Die Reise zur grünen Fee
Fidel Bastro //fidel-bastro.de //4-CD-Box // 12 Euro // Ob KASSIERER-Frontmann Wolfgang Wendland beim Einlesen seines Parts für dieses Hörbuch nackt war ist mir nicht bekannt. Fakt ist, dass
Ox-Kollege Abel Gebhardt nach Wölfis Intro selbst übernimmt, um von seiner Bahnfahrt durch die Sächsische Schweiz und der dortigen Naziplage zu berichten. Er erzählt von seinem Selbstfindungstrip
nach Prag, den Sagen dort und dem Bier, vom Absinth und natürlich der Liebe. Er schildert wie sein Ich-Erzähler vor hat sein Leben umzukrempeln, harte Drogen bleiben zu lassen und ein Studium zu
beginnen. Er stellt die Menschen vor, die er auf seiner Reise kennenlernt, mit denen er trinkt oder die er sich in den Fängen der grünen Fee vielleicht auch nur einbildet. Unaufgeregt und
sympathisch trägt Abel vor, passt gerne Stimme und Akzent seinen Figuren an, und ich nehme ihm gerne ab, dass das alles so passiert ist, im Prag der 90er. Und klar, auch die exakten Kenntnisse in
Sachen Absinth-Rausch hat er wohl nicht auf Wikipedia nachgelesen. Aufgenommen wurde bei und mit SCHROTTGRENZE-Sänger Alex, verpackt schick in einer silbernen Metalldose.
H.C. Roth / Ox Fanzione #126
Lars Gebhardt - Die Reise zur grünen Fee
Abel, so werden die meisten den Autor wohl nennen, hat alles, was dazu gehört, ein literarischer Held der Punkrock-Szene zu sein: er hat Szenegeschichte geschrieben (Stay Wild Fanzine), singt in
einer Punkrock-Kapelle (Projekt Kotelette), ist Freund von vielen berühmten Punkrockern (Bela B.), schreibt für ein namhaftes Punk-Fanzine (Ox) und ist ein charmanter Mann (das wird von der
Damenwelt kolportiert). Ferner versteht er es ziemlich gut, sich als Autor in Szene zu setzen und selbst zu verkaufen, wie er es bei seinem Romandebut ‚Ein Goldfisch in der Grube‘ bereits gezeigt
hat. Das muss ihm erst einmal nachmachen, finde ich...
Mit ‚Die Reise zur grünen Fee‘ liegt mir nun Abels zweites Buch vor, das ich recht schnell runter lesen konnte, obwohl es immerhin 230 Seiten stark ist. Das liegt daran, dass ich dem Ich-Erzähler
gerne folge, denn er verschmilzt für mich immer wieder mit dem Autor, was mich des Öfteren doch zum Schmunzeln bringt. Abel und wie er die Welt sah. Und so ganz illegitim ist das ja
nicht, denn der Text weißt sicher autobiografische Züge auf. So wirken die Szenen auf einem Konzert der Band DIE GEISTER und der Aftershowparty sehr authentisch. Und Abel kann solche Geschichten
auch schön erzählen, so dass ich ihm gerne folge. Und das tue ich brav vom Anfang an, denn zunächst beschließt der Held, eine Reise mit dem Zweck der Selbstfindung zu beginnen. Diese führt ihn
ins Prag der 90er-Jahre, wo er erst einmal jede Menge Bier und dann auch Absinth in sich hineinschüttet. Dabei wechseln seine Trinkpartner und er lernt auch Maria kennen, in die er sich auch
sofort verliebt. Sie ist sich ihrer Gefühle aber noch nicht so ganz sicher, unser Held muss also warten. Und was macht er währenddessen? Richtig: er trinkt, isst, macht Sightseeing, stolpert,
schwankt, trinkt und wechselt die Kulisse nach München, wo er ein ähnliches Programm absolviert. Mal habe ich dabei das Gefühl, einen Bericht für einen Reiseblog zu lesen, wenn ich ziemlich
detailliert über die Sehenswürdigkeiten von Prag informiert werde, um dann unversehens mit dem Erzähler im Vollsuff zu versacken und es so gerade noch ins Botelbett (richtig: hier handelt es sich
um ein Hotel auf einem Boot) zu schaffen. Dazwischen vergeht Zeit, die immer wieder damit gefüllt wird, dass man sich schnell zur Erfrischung ein paar Flaschen Pils vom Kiosk holt. Das macht der
Erzähler wirklich gerne: am Bahnhof, nach dem Museum und bei romantischen Abendspaziergang mit Maria, eine Gelegenheit, die trockene Kehle zu ölen oder die aufkommende Übelkeit zu ersticken,
findet sich immer. Da habe ich dann schon das Gefühl, der junge Charles Bukowski ist hier auf einem Ausflug mit dem Konfirmandenunterricht. Erstaunlich ist es, wie geduldig ich ihm dabei folge
und noch erstaunlicher, wie schnell die Zeit dabei verfliegt. Irgendwann ist der Plot vorbei, das Buch ist ausgelesen und ich frage mich, was passiert ist? Ich glaube, sowas nennt man Kurzweil.
So ähnlich könnte es vielen Lesern ergehen, die Abel kennen oder Spaß an Reiseberichten haben. Für einen echten Erzählstrang hätten die Geschehnisse auf ihre Notwendigkeit für den Plot hin
gesichtet werden und gegebenenfalls ausgedünnt oder angepasst werden müssen: wirklich nicht jede kleine Anekdote (z. B.: Haschischverstecken im Zug) muss auserzählt werden und nicht über alle
Sehenswürdigkeiten muss man schreiben, wenn das auch in einem Reiseführer zu finden ist. Auch die Idee der grünen Fee verpufft etwas im Anekdotischen. Das ist irgendwie schade, denn mit ein paar
kleinen Kunstgriffen hätte man das sicher aufpeppen können.
Aber das wäre sicher zu Lasten der Authentizität gegangen und dann ein anderes Buch geworden...
Swen Bock / Plastic Bomb 2016
Lars Gebhardt
DIE REISE ZUR GRÜNEN FEE
Erzählung
Book On Demand // book-on-demand.de // 232 S. // 8,99 Euro // Die 90er Jahre, eine crazy Zeit, um Ox-Kollegen Lars „Abel” Gebhardt hier zu zitieren. Und in genau diesen verrückten Tagen sitzt
sein namenloser Ich-Erzähler in einem Zug von Hamburg nach Prag, um den im Vorgängerbuch „Ein Goldfisch in der Grube“ beinahe miterlebten Doppelmord zu vergessen, Drogenexzesse und
Frauengeschichten hinter sich zu lassen, die Kohle, die eine Sporttasche voll Koks so einbringt, auf den Kopf zu hauen und überhaupt ein neues Leben zu beginnen. Es ruhiger angehen zu lassen
klappt aber nicht, denn das Bier schmeckt gut in Prag, das extra über die Grenze geschmuggelte Gras auch und der nach wenigen Stunden kennengelernte neue Freund Jakub bringt dem Helden der
Geschichte nicht nur die Stadt mit all ihren historischen Fakten, Sehenswürdigkeiten und Sagen näher, sondern führt ihn auch in die Riten des Absinthtrinkens ein. Abel beschreibt ganz gut, wie
das geht und wie man sich hinterher so fühlt, wenn die grüne Fee den Verstand lahm legt und dich in andere Sphären hebt. Außerdem sind da noch das Folter-Museum und Maria aus Hamburg, die dort
ihre derzeitige Beziehung überdenkt und Abels Hauptfigur in die nächsten Liebeswirren stürzen lässt. Um sich klar zu werden, was er denn nun wirklich will und ob Maria dazu gehört, muss er erst
nach München weiterreisen und dort mit seinem Kumpel Boris, Drummer der legendären Berliner Band DIE GEISTER – Ähnlichkeiten zu realen Punkrockdrummerlegenden sind natürlich rein zufällig – einen
drauf machen. Ja, ein schönes Buch hat er da geschrieben, der Abel, solltet ihr lesen und euch gerne auch vorlesen lassen, auf seinen grandiosen Lesungen und dem demnächst erscheinenden Hörbuch.
H.C. Roth / Ox-Fanzine #125
In den 1990ern, in einer Zeit vor Turbo-Abitur, Ich-AG und verschultem Bachelor-Studium, war er noch der King: der Slacker. Ein Typ, dessen Karrierebegeisterung und Leistungsbereitschaft
FDP-Politiker zum Weinen bringen konnten. Der ewige Zuspätkommer aus »Ein Goldfisch in der Grube« ist dabei ein derartiges Prachtmodell von Unzuverlässigkeit, dass er fast sogar die 1990er
verbummelt hätte. So lässt Lars Gerhardt seinen Protagonisten zur Jahrtausendwende durch Hamburg-St.Pauli stolpern. Frei nach dem Motto »Ich habe 99 Probleme, aber Saufen, Koksen und Punkhören
gehören nicht dazu«. Der ehemalige Fanzine-Herausgeber Gebhardt trifft dabei jeden Ton, und nie gleitet die Geschichte in befindliche Selfmade-Literatur-Ödnis oder quarkige Übertreibungen ab. Der
»Goldfisch« besitzt etwas, was Texten jedes Genres guttut: eine tiefe Wahrhaftigkeit. Der unaufgeregte, aber variantenreiche Vortrag des Autoren selbst gibt dem Hörbuch dann endgültig den Rest
und macht es zur besten Punkerzählung seit »Wo die wilden Maden graben« von Nagel. Ach ja, und als Gaststimme konnte er überdies niemand Geringeren als Bela B gewinnen.
(c) Linus Volkmann / Intro Magazin 03/15
Ein (gar nicht mal so) junger Mann zieht in große Stadt (Hamburg), lässt seinen Job hinter sich und es lieber krachen. Alkohol, Kokain, ein bisschen Sex, mehr braucht der Ich-Erzähler in
Lars – Ox-Lesern wahrscheinlich eher bekannt als Abel – Gebhardts Debütroman nicht, um ein gutes Leben zu leben.
Wäre nicht die Kohle alle und Schulden von 3.000 DM angehäuft. Zum Zahltag ist das Geld nicht aufgetrieben, ein Glück, dass die beiden Gläubiger erschossen in ihrer Wohnung liegen. Schulden
weg, Sporttasche voll Koks da, sympathische junge Dame an der Hand.
Kaum ist das Pulver vertickt und die vermeintliche neue Freundin wieder fort, wächst ihm alles über den Kopf, er verlässt Hamburg in Richtung Berlin, um einen freien Kopf zu bekommen, was
auch nur mäßig klappt.
Abel trägt diese Story, unterstützt von Bela B., auf unaufgeregte, sympathische Weise vor und ich würde ihm sofort abnehmen, dass das alles genau so passiert ist. Die eine oder andere
autobiografische Note wird sich da wohl in die ansonsten fein ausgedachte Handlung geschummelt haben.
H.C. Roth / Ox Fanzine #118
Älteren Lesern dürfte der Autor vielleicht noch durch seine Zeit als Chefredakteur und Herausgeber des Hamburger Stay Wild Fanzines bekannt sein. Der ein oder andere hat vielleicht auch
schon den 2013 erschienen, gleichnamigen Debüt Roman des Autors gelesen. Hier gibt es nun quasi für Menschen, die nicht mehr die Aufmerksamkeitsspanne für die schriftliche Variante besitzen, die
vom Autor mit Unterstützung von Bela B. gelesene Hörbuch-Version. So ein Projekt steht und fällt meiner Meinung nach immer, abgesehen von der Güte des Ausgangsmaterials, mit der Stimme des
Vorlesers. Wie bereits erwähnt tut dies der Autor größtenteils selbst und das auch recht gut. Die autobiographisch angehauchte Story weiß auch größtenteils zu überzeugen. Besonders das Ende ist
nicht schlecht. Keine Angst, der Skinhead fangt nicht an zu spoilern. Nur soviel, das Ganze hat ein bissel was von ner Mischung aus Bukowski light und ner relativ bodenständigen
Punkrock-Koks-„Bube, Dame, König, Gras“-Adaption und spielt hauptsächlich in Hamburg und Berlin. Während ner längeren Autofahrt, wenn man mal keinen Bock auf Musik hat, sicher keine
schlechte Sache. Könnt ich mir in einer strafferen Variante durchaus auch als Film vorstellen, hat hier und da seine Längen bezogen auf gewisse Angewohnheiten des Protagonisten, was aber vom
Autor wahrscheinlich bewusst und als Stilmittel eingesetzt wurde. Über den Großteil der Strecke wird der Hörer aber nichtsdestotrotz wirklich sehr gut unterhalten. Das Hörbuch kommt als
3-CD-Box in schickem Metallschuber, zu bestellen für recht günstige 10,- EUR plus Porto direkt über Fidel Bastro, bei ausgewählten Mailordern sowie außerdem noch als MP3-Download. (Books On
Demand)
(c) Basti / Plastic Bomb Fanzine 2015
Die regelmäßige Lektüre des Stay Wild!-Fanzines aus Hamburg war in denNeunziger Jahren Pflicht für alle, die ihr Herz an ’77 Punkrock verloren haben. Abel, alias Lars Gebhardt, ist einer der
Köpfe dieses zweifelsohne wichtigen deutschen Heftes gewesen.
Kürzlich hat er die vorliegende Erzählung veröffentlicht, in der er sich erstmals in andere Gefilde der Schreiberei begibt. Kolumnen, Kurzgeschichten und Konzertberichte in relativ ungezwungener
Form zu verfassen und damit die Leserschaft zu erfreuen, ist freilich eine ganz andere Nummer, als mit einer Story über annähernd 200 Seiten zu überzeugen.
Zur Geschichte: Der Erzähler wohnt in Hamburg, steckt in einer schweren Sinnkrise. Sein Schuldenberg vergrößert sich rasant, und überhaupt scheint ihn das Leben von Tag zu Tag mehr zu
erdrücken.
Regelmäßige Kokaineskapaden und durchzechte Nächte auf dem Kiez verschaffen ihm nur zeitweise Ablenkung und lassen ihn zunehmend im alltäglichen Sumpf versinken. Als er bei einem seiner Gläubiger
um Aufschub bitten möchte, nimmt die Story eine Wendung an, die nicht minder heikel ist: In der Wohnung findet er eine Leiche und einen Koffer voll mit Kokain – nun ist richtiges Handeln
gefragt.
Doch was heißt das schon ... Abel beweist sich in seinem Romandebüt als ein souveräner Autor, der über das Handwerkszeug der Schriftstellerei verfügt und aufgrund seiner eigenen Erlebnisse und
Verstrickungen in der Hamburger Punk-Szene der Story einen besonderen Charme verleiht.
Manche Parallelen zu Jörg Fausers „Der Schneemann“ liegen auf der Hand, das kann den Reiz an der Geschichte sowie den Einfallsreichtum des Verfassers aber nicht ernsthaft mindern.
Koks, Alkohol, Sex und ein Verbrechen. Lars skizziert seine Romanfigur als Outsider - ständig pleite und auf Sinnsuche - mit existentiellen Sorgen und Nöten, die viele von uns kennen. Insofern
solidarisiert mensch sich schnell mit der Romanfigur und übernimmt den Blickwinkel, aus dem das exzessive Leben und die Flucht aus der Tristesse fokussiert wird. Hamburg - Berlin - Cuxhaven -
Hamburg. Die Odyssee ist gleichzeitig ein Spannungsbogen, der hinter einer Sex&Crime-Story aufgezogen wird, im Wesentlichen aber den selbstzerstörerischen Ansatz eines Charles Bukowski
ähnelt, mit dem Faible für das Leben in den Randzonen der bürgerlichen Gesellschaft, ohne dessen geniale Schockwirkung zu erreichen. Die sich wiederholende Exzesse - Kneipenbesuch, Alkohol,
Drogen, Sex - führen letztendlich zu keinem veränderten Verhalten der Romanfigur, dafür greift Lars auf ein RAMONES-Zitat zurück. First, second, third, fourth verse as the first. Alles wiederholt
sich im Leben. Was jung hält ist die Phantasie, sind Träume, die Entlastung bringen und verhindern können, dass mensch seinen eigenen Anteil an einer Situation sieht und für die Zukunft etwas
daraus lernt. Dafür ist ein offenes Ende immer gut und die Erkenntnis, die die Romanfigur zum Ende hin gewinnt, ist auch, was das Menschsein interessant macht. Dass jedeR von uns eine Menge
Unfertigkeiten, Baustellen und Reizpunkte mit sich rumschleppt. Wenn wir perfekt wären, dann wären wir vollkommen und komplett langweilig. Und unser Leben wäre ohne Höhen und Tiefen. Erst unsere
Schwächen machen uns menschlich, interessant und letztlich auch liebenswert. Und Lars hat vielleicht sein eigenes Leben durchleuchtet und teilt uns mit: Was habe ich in die Welt gegeben, das dazu
beigetragen hat, dass ich in dieser Situation gelandet bin? Der Roman gibt darauf keine eindeutige Antwort, fordert aber das Resonanzprinzip, mehr Verantwortung für sich und dein Leben zu
übernehmen.
„Ein Goldfisch in der Grube“, ist der Debüt- Roman von Lars Gebhardt.
Der Hauptprotagonist ist auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Mit diversen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Schulden, Drogen- und Alkoholsucht schlägt er sich so durchs Leben und versucht
herauszufinden wohin das Leben führen soll. Durch einen Zufall fällt ihm eine Tasche voller Kokain in die Hände. Trotz des plötzlichen Geldsegens streift er weiter zielos durch das Nachtleben von
Hamburg und Berlin, stets auf der Suche nach einem Sinn, der sich ihm allerdings nicht erschließen will. Zwischen Punk Rock, Drogenrausch und bedeutungslosem Sex, erlebt er einige
Abenteuer. Der Autor schafft es ganz gut, die teils resignierte Stimmung gepaart mit immer wieder aufkommenden Funken Hoffnung zu transportieren. Man entwickelt eine gewisse Sympathie für
den Hauptprotagonisten, da man sich gut in die Probleme hineinversetzen kann, da der Autor, die erlebten Abenteuer schillernd und detailiert beschreibt, sodass der Leser das Gefühl hat, live
dabei zu sein. Die Charaktere sind größtenteils, alles andere als das was man Ottonormalverbraucher nennen würde. Man taucht in eine schrullige, dubiose aber auch spannend wirkende Welt ab. Das
Buch ist als leichte Kost einzuschätzen. Es ist so geschrieben, als würde dir jemand an der Theke seine Lebensgeschichte bei ein paar Bierchen erzählen. Durch diverse Abenteuer gibt es hier und
da mal eine kleine Spannungskurve. Positiv ist, dass das Ende überraschend ist und man sich nicht schon nach ein paar Seiten sicher sein kann, wie die Geschichte endet. Insgesamt lässt sich
sagen, dass hier kein neuer Bestseller erschienen ist, aber man das Buch nicht nach ein paar Seiten gähnend weglegen wird. Als unterhaltsame Abend- oder Urlaubslektüre empfehlenswert.
Lars Gebhardt dürfte einer größeren Menge der Leser unter dem Namen Abel Gebhardt bekannt sein, insofern man die 35 Lenze bereits genommen und in den 90er-Jahren in der hiesigen Punkrockszene
aktiv war. Unter Anderem hat er das STAY WILD – Fanzine herausgegeben und ist von der Terrorgruppe (Abels trauriges Fest) besungen worden. Mittlerweile ist der frühere Serienwomanizer in die
Jahre gekommen und hält sich mit seiner Band Projekt Kotelett fit. Dazu zeigt er sich dem geneigten Volk mittlerweile als Buchautor im Eigenverlag, der mit seinem Erstling ‚Ein Goldfisch in der
Grube‘ hier zur Besprechung antanzt. Seine Erzählung folgt einem Handlungsstrang, der seine Dynamik daraus gewinnt, dass sich der Ich-Erzähler in der misslichen Lage befindet, aus seinem Leben in
Hamburg nichts gemacht zu haben. Anstatt dass seinem Griff zu den Sternen durch den Umzug aus der heimatlichen Provinz in die Elbmetropole eine adäquate Entwicklung der Persönlichkeit folgt,
befindet er sich in der Situation, dem fortwährenden guten Leben in jeglicher Beziehung Tribut zu zollen. Regelmäßiger Alkohol- und Drogenkonsum sorgen für mentalen Burnout, Einsamkeit,
Perspektivlosigkeit und hoher Verschuldung im Rotlichtmilieu. Soweit eine Geschichte wie sie in der Coming out of age – Literatur bereits tausend Mal erzählt wurde. An dieser Stelle ein kleines
Dankeschön an den Autor, denn der für gewöhnlich einsetzende Läuterungsprozess, der nach einer Zuspitzung einen besseren Menschen zurücklässt setzt nicht ein, obwohl er im Plot vielfach
angedeutet ist. Unser Held zeichnet sich aber durch entschlossene Halbherzigkeit aus. So packt er zwar sein ‚Raus aus den Schulden‘-Projekt spontan an, indem er bei seinen toten Gläubigern einen
Koffer Koks mitgehen lässt, aber danach nimmt er sich erst einmal eine Auszeit, um in Berlin dem weißen Pulver nicht aber dem Alkohol zu entfliehen. Dort macht er weder eine Entwicklung durch,
noch hilft ihm ein Zufall ein zweites Mal. Das mag man genial nennen, mich aber nervt es durchaus, wenn der Erzähler wie eine Märchenfigur scheinbar ziellos von vergleichbarem Ort zu
austauschbaren Personen und Ereignissen rennt. All das was im Protagonisten vorgeht, ist schon zu Beginn in der Figur angelegt. Sowas kann spaßig sein, wenn daraus Pulp wird. Aber darauf
verzichtet Abel leider, denn er spielt vergleichsweise leise Töne. Die Zotenquote ist niedrig und an keiner Stelle wirkt die Story so richtig fesselnd. Ich warte ständig auf den Knall, der nicht
kommt. Vielleicht traut sich Abel nicht so recht, weil die Novelle autobiografische Züge trägt: Mir wirken viele Charaktere sehr vertraut; und ich glaube auch, dass das vielen anderen mit dem
Autor bekannten Lesern ebenso geht. Vielleicht hemmte das den Schreibprozess doch zu sehr, denn weder mit sich selbst noch mit seiner Umwelt geht der Erzähler besonders hart ins Gericht. Da hätte
ich mir mehr Mut gewünscht, denn schließlich ist das Fiktion und die Leser wissen das seit Defeos Robinson Crusoe. Und ich glaube, auch die anderen Personen hätten sich über etwas mehr Aberwitz
gefreut. Natürlich hätte er auch die feineren Linien herausarbeiten können, aber dazu fehlt es am handwerklichen Willen; exemplarisch sei hier der Klappentext zitiert: „Da waren wieder die
Fragen. Diese Fragen, die unbarmherzig in Selbstzweifel übergingen. In der Regel blieben die Fragen in den hintersten Windungen meines Gehirns verborgen, wenn ich in dieses genügend Alkohol hatte
fließen lassen. Jetzt waren sie aber wieder da und führten mir die gar jämmerliche Situation, in die ich mich in den letzten Wochen zielsicher bugsiert hatte, brutal vor Augen.” Das ist der
klassische Jargon eines alkoholkranken Psychopathen in einem schönen Pulp-Krimi, in dem der Held keine tiefe braucht, nein sie sogar hinderlich ist. In einem Roman, der nach dem Sinn fragen
lässt, hätte ich mir die Freiheit eines eigenen Bildes gewünscht. So hängt diese Erzählung gehörig zwischen zwei Stühlen. Und das Schlimme ist: Abel hätte beide Genres bedienen können, denn die
Geschichte ist sowohl realistisch als auch ausreichend als Basis für einen größeren Wurf. Und natürlich ist der ‚Goldfisch in der Grube‘ trotzdem ein gelungenes Debut und selbstverständlich ein
Pflichtkauf für alle Punkrock-Interessierten. Damit schließe ich diese Kritik und erwarte etwas mehr Entschlossenheit bei der nächsten Veröffentlichung.